Vietnam (1) – Transit

Normalerweise liebe ich die vielen und abwechslungsreichen Wege, die einen auf seiner Reise an sein Ziel bringen. Mit dem Auto oder der Bahn hat man entweder die Freiheit, sich unterwegs keine starren Halte aufzuerlegen oder genug Möglichkeiten sich zu vertun und die Fahrt zu genießen. Langstreckenflüge hingegen – selbst wenn sie in dieser Art erstmalig faszinierend erscheinen – lassen kaum Spiel für romantische Blicke in die vorbeirauschende Fremde.

Die 23stündige Reise, die wir antraten, führte uns von Dresden aus über Frankfurt und Shanghai in die Heimatstadt meiner Frau: Ho-Chi-Minh-Stadt. Trotzdem die Flugzeuge mit jedem Umstieg größer wurden, so sank beinahe der Komfort und mit fortschreitender Zeit auch die Geduld. Unsere Beinfreiheit mussten wir auf zweiter Etappe gegen ein äußerst unfreundliches, österreichisches Paar vor uns erkämpfen, was mich am Urteilsvermögen und Charakter beider zweifeln ließ, sodenn ich dies vor allem dem Mann in aller Ausdrücklichkeit darstellte.

Ich kam dabei so ungewollt nur zu etwa zwei Stunden Schlaf auf die gesamte Reise gerechnet, aber dennoch noch dazu, wenigstens zwei, wenn auch durchschnittliche Filme im Bordprogramm sehen zu können: Ad Astra und Deutschstunde (letzterer zeigte, dass nach Das weiße Band kein wirklich tiefgründiger, deutscher Film mehr entstanden ist). Fast keiner der Mitreisenden hielt den elfstündigen Flug zwischen Frankfurt und Shanghai durch, ohne dass ihm nicht irgendwann die Augen zufielen. Das Paar vor uns – grotesk einmumifiziert in funktionale Trainingsanzüge, Mützen, Nackenrollen und Schlafmasken – wirkte mit dem Aufgehen der Sonne wieder gemäßigter.

Nach dem Servieren des Frühstücks und der nahtlos anschließenden Landung folgte umgehend dann die nächste Geduldsprobe. Trotz gegenteiliger Mitteilung durch das Lufthansapersonal, begann ein zeitraubender und nervenzehrender Einreiseprozess in die Transitzone, der fast die gesamte Umsteigezeit von drei Stunden in Anspruch nahm. Dabei wurden immer wieder alle erdenklichen Personalien und Daten wie auch Fingerabdrücke (inkl. mehrmalige Gesichtserkennung) von uns aufgenommen, um schließlich mit einem 24h-Transitvisum unser Gepäck noch einmal neu aufgeben zu können. Und das alles unter den gelangweilten Blicken uniformierter, chineschischer Beamter, die jederzeit die eigene Anspannung gegen einen selbst ausspielte. Höhepunkt dabei: Vier Zöllner, die sich bei der Einreise mehr mit der persönlichen Belustigung über die Reisenden beschäftigten, als mit der Kontrolle des Gepäcks.

Trotz der autoritären Strukturen und Sammlungswut hinsichtlich aller persönlichen Daten wird man in einer hochtechnisierten und penibel sauberen Umgebung empfangen. Ab dem an einer Kleinstadt gleichendem Flughafen trennten uns dann noch einmal vier Stunden mit Vietnam Airlines bis ins Land des Lächelns. Auch hier: Hektik und Ungeduld unter den Passagieren verfolgt von den stoisch, zurückhaltend lächelnden Blicken der Crew.

 

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